Die Bedeutung von Phosphat-Ionen und Monokieselsäure für Minerale und Mikroorganismen.

Eine Untersuchung zu dem Silikat-Phosphat-Austausch im mikrobiellen Stoffwechsel anhand der Mischkristalle Pyromorphit-Mimetesit und von Silikatkörnern einer Pingenhalde der Grube Alter Theuerdank am Beerberg in St. Andreasberg im Harz

Von Ernst Toenges, Wuppertal.

1. Einleitung

Im Folgenden soll die Koexistenz von Mikroorganismen und Mineralen am Beispiel von Phosphat und Monokieselsäure in den Oxidationszonen der Grube Alter Theuerdank am Beerberg in St. Andreasberg im Hinblick auf deren biochemischen Austausch untersucht werden. Die Rolle, die Phosphat sowohl bei Mineralen als auch für Bakterien spielt, vor allem die unterschiedlichen Kompensationsversuche, die Mikroorganismen im Falle eines Ausbleibens der Phosphatversorgung unternehmen, ist Gegenstand dieser Arbeit.

2. Zur Lage und Mineralisation der Pingenhalde

Im Unterschied zum Oberharz, wo Silber stets mit Bleiglanz und Fahlerz einhergeht, tritt es in St. Andreasberg in Verbindung mit Arsen- und Antimon-haltigen Mineralen auf. Diese Besonderheit ist mit der Migration von mineralisierten Lösungen verbunden, die "Silber, Arsen und Antimon aus älteren Erzformationen in der Tiefe herausgelöst und stark konzentriert wieder ausgeschieden" haben (Gröbner et al. 2011, S. 33). Diese mineralisierten Lösungen zirkulierten in diversen Spalten und entlang von Störungen - bedingt zuletzt durch die Heraushebung der Harzscholle in der Kreidezeit.

So entstand in St. Andreasberg ein umfangreiches Erzrevier, das heute in zwei Bereiche eingeteilt wird: den sogenannten "Inwendigen Zug" und den "Auswärtigen Zug"; zu diesem letzteren werden viele Gruben am Hang des Beerbergs gezählt, u.a. die Grube Alter Theuerdank. Diese Grube baute auf Nebentrümern des Reiche Troster Gangs. Ihre Halden liegen oberhalb der Grube St. Jakobsglück im Walde versteckt.

01 und 02 neu

Abbildung 1 zeigt eine Infotafel - eine sogenannte Dennerttanne -, die auf die Gruben St. Jakob und St. Jakobsglück hinweist. Zur weiteren Lagebeschreibung siehe G. Schnorrer et al. (2009). Da der Gang bis an die Erdoberfläche mit Silbererzen verschiedener Art vererzt war, bedecken heute zahllose Pingen und Schurflöcher den Hang: siehe Abbildung 2 mit einer weiteren Infotafel.

Die Fundstelle für die in mikrobieller Koexistenz befindlichen Minerale Pyromorphit und Mimetesit liegt am Rand einer Pinge, siehe Abbildung 3.

c 03 Pingenhalde, von der Schachthalde aus gesehen

Abb. 3: Pingenhalde, von der Schachthalde aus gesehen

Diese ist sicherlich noch dem Reiche Troster Gang und somit der Grube Alter Theuerdank zuzuordnen, wenngleich die damaligen Förderzeiten auf der Schachthalde und auf der Pingenhalde um Jahrzehnte auseinander liegen.

Der Pingenabbau erfolgte ab der Entdeckung silberhaltiger Erze auf dem Beerberg um 1521 im Tagebau. Als die im Tagebau erreichbaren Silberadern erschöpft waren, begann von 1553 bis 1562 die 1. Periode des bergbaulich fachgerechten Abbaus, indem man Stollen und Schächte grub, in späteren Perioden auch Entwässerungsstollen, Förderschächte, Wasserkanäle usw..

Wie kam es zu der Konzentration von Phosphaten und Silikaten auf der Pingenhalde?

Die begehrten Silberantimonide Pyrargyrit und Miargyrit verwitterten nicht erst auf der Pingenhalde, sondern schon in den Oxidationszonen der Lagerstätte. Das Silber ging dabei in Lösung und bildete u.a. das begehrte, in der Region singuläre "Buttermilcherz". Die mineralischen Restbrocken warfen die Bergleute damals auf die Pingenhalde. Diese waren zwar taub, bezogen auf das gesuchte Silbererz, enthielten aber viele Sekundärminerale, wie zum Beispiel Pyromorphit und Mimetesit, vor allem aber in einzigartiger Weise Stoffwechselprodukte vieler Mikroorganismen. Die Oxidation gelang aufgrund des Luftsauerstoff- und Kohlendioxid-haltigen Oberflächenwassers, das darüber hinaus eine Menge aus dem quarzreichen Nebengestein herrührende gelöste Monokieselsäure sowie durch die Verwitterung von Humus stammenden organischen Eisen- und Schwefel-Ionen enthielt.

c 04 ausgelaugte Quarzbrocken

Abb. 4: Ausgelaugte Quarzbrocken

Die Abbildung 4 zeigt die äußerlich ausgelaugten Quarzbrocken, in deren abgeschotteten Hohlräumen sich noch Reste von Sekundärmineralen und mikrobiellen Rückständen, von der Verwitterung teilweise verschont, befinden.

3. Die Rolle von Phosphat bei der Kristallisation von Pyromorphit-Mimetesit

Bei der Kristallisation des Mischkristalls Pyromorphi-Mimetesit - sei es in der Variante grün-gelb, 3.1, oder sei es in der Variante orange-gelb, 3.2 - spielt Phosphat eine entscheidende Rolle:

3.1 Abbildung 5 zeigt eine für Theuerdank typische Mischform von Pyromorphit-Mimetesit: Rechts im Bild ist ein Prisma von anfänglich grünlichen Kristallen zu sehen, das sich in einer gelben Masse - links im Bild - fortsetzt.

5 und 6 neu

"Grüne bzw. grünliche Individuen sind meist Pyromorphit, gelbe dagegen eher Mimetesit". (G. Schnorrer et al. 2009 S. 48) In ihrem Aufsatz haben G. Schnorrer et al. 29 Proben analysiert und dabei festgestellt, dass davon 10 Exemplare reine Pyromorphite, 7 Mischkristalle mit einem deutlich größeren Gehalt an P als an As, - z.B. auf Abbildung 6 -, 6 der Proben mit einem Mischungsverhältnis von 1:1 - siehe z.B. Abbildung 7 - , und nur 3 reine Mimetesite waren (a.a.O., S 60) - siehe z.B. Abbildung 8 mit gelben Mimetesit-Prismen als einer Spätbildung auf grauem Pyromorphit.

7 und 8 neu

Das Mischungsverhältnis spiegelt sich makroskopisch in etwa in der wechselnden Farbzusammensetzung von grün und gelb, z.B. Abbildung 9.

9 und 10 neu

G. Schnorrer et al. stellen für diese Mischkristalle eine gemeinsamen Formel auf, nämlich Pb5/Cl/(P,As)O4)3/, "wobei bei den Pyromorphiten P>As und bei den Mimetesiten As>P vorherrscht". (a.a.O., S 48) Es herrscht ein deutliches Übergewicht an Pyromorphit-Bildungen und an phosphathaltigen Mimetesiten. Dies überrascht weniger als die Tatache, dass es gemessen an dem geringen Angebot an As relativ viel Mimetesit gibt. Von welchen Primärmineralen das As gebildet sein kann, mag erklärt werden durch das "Auftreten von dispers verteiltem Arsenkies im Nebengestein. Möglicherweise wird aber auch der geringe Arsenanteil im Fahlerz quantitativ im Mimetesit fixiert." (a.a.O.,S 60)

Das Verhältnis von As und P in den Mischkristallen kann neben der quantitativen Bestimmung auch hinsichtlich der Genese der Mischung untersucht werden. Bei vielen Proben fällt nämlich ein deutliches farbliches Gefälle von grün nach gelb auf, und zwar in den unterschiedlichsten Formen wie die Abbildungen 5, 10, 11 und 12. zeigen: Stets steht am Anfang der Kristallbildung eine grüne Phase, also mehr oder weniger reiner Pyromorphit; danach, bei weiterem Wachstums, wechselt die Farbe allmählich ins Gelbe. Selbst bei dem durch Fe-Ionen hellbraun verfärbten Mikado-ähnlichen Aggregat von dünnen Prismen enthält die Anfangsfarbe noch einen grünlichen Schimmer, während gegen Ende ein deutliches Gelb sich durchsetzt - Abbildung 12 -.  

11 und 12 neu

Ein solcher Befund bedeutet, dass am Anfang ein "Übergewicht" an Phosphat-Ionen im Oberflächenwasser vorhanden gewesen sein muss, dass aber irgendwann dieser Überfluss zur Neige ging mit der Folge, dass in dem Maße, wie die Phosphat-Ionen abnahmen, gelöste Arsenat-Ionen aus "dem Arsenkies des Nebengesteins" an deren Stelle traten. Auf diese Weise sind die wenigen reinen Mimetesite entstanden - 3 von 29 Proben, laut Schnorrer - sowie die gelben Spitzen vieler Mischkristalle - besonders deutlich auf der Abbildung 10. Aus der Tatsache der geringen Anzahl der reinen Mimetesite und des nur kleinen Ausmaßes der gelben Spitzen ist zu schließen, dass der Vorrat an Arsenat-Ionen im Oberflächenwasser auch nicht lange vorhielt. Dass auf der Abbildung 8 der graue Pyromorphit mit gelben Mimetesit-Prismen überzogen wurde, lässt auf einen Übergang von Phosphat-Ionen zu Arsenat-Ionen im Oberflächenwasser schließen; dass dieser sekundäre Überzug aber nicht abgeschlossen werden konnte, lässt auch einen finalen As-Verlust im Oberflächenwasser vermuten.

Abbildung 13 macht deutlich, dass der Prozess der Ablösung nicht unbedingt einlinig verlief, vielmehr in wechselnden Schüben. Darauf deuten die welchselnden grün-gelben Schichten auf dem abgebildeten Kristall. Dennoch findet sich am Ende dieses wechselvollen Prozesses immer eine gelbe Spitze, und nicht eine grüne, m.a.W. die Abnahme von Phosphat-Ionen verbunden mit einer Zufuhr von Arsenat-ionen setzt sich trotz allem Wechselspiel am Ende durch, bis auch diese am Ende versiegte.

c 13 grün gelbe Streifung B

Abb. 13: Grün-gelbe Streifung (BB 0,9 mm)

Fazit: Typisch für Theuerdank sind die Mischkristallbildungen, die auf eine anfänglich starke Zufuhr von Phosphat-Ionen im Oberflächenwasser zurückgehen, die gegen Ende durch die Ablösung durch Arsenat-Ionen geprägt waren.

3.2 Die rotorange-gelben Mischkristalle von Pyromorphit und Mimetesit - auf der Abbildung 14 zu sehen - können hinsichtlich ihrer Genese nicht differenziert werden. "Gelbe bis fahlgelbe, orangegelbe und rötliche Kristalle sind zumeist Mischglieder von Mimetesit mit Pyromorphit" (Schnorrer et al. S 48). Bei der Färbung sind keine Übergänge von gelb nach rot oder orange festzustellen. Immerhin gibt es Ummantelungen: Eine orangerote Kugel - Kampylit - ummantelt ein Prisma - so auf dem Abbildung 15 -; dies spricht ebenfalls für eine Spätbildung des orangeroten phosphat- und arsenhaltigen Mimetesit. Vielleicht stellt der orangerote Mimetesit-Pyromorphit grundsätzlich eine Spätbildung inbezug auf den grüngelben dar, in einer Epoche, da die Zufuhr von P nachließ.

 14 und 15 neu

4. Die Rolle von Phosphat beim intrazellulären Energietransfer von Mikroorganismen

Auch die Mikroorganismen profitierten von der starken Zufuhr von Phosphat-Ionen im Oberflächenwasser. Ihren Energiegewinn erzielen aerobe chemolithotrophe Bakterien für ihren Stoffwechsel, indem sie Eisen- oder Schwefel-Ionen intrazellulär oxidieren. Dabei ist der Elektronentransport innerhalb einer Zell wichtig. Genau dabei spielt Phosphat eine entscheidende Rolle, und zwar sowohl beim Informations- als auch beim intrazellulären Energietransfer. Mittels Adenosintriphosphat - ATP - wird Energie in Molekülketten abgespeichert; bei erforderlichem Energiebedarf wird das ATP wiederum gespalten und auf diese Weise für den Energieverbrauch freigesetzt. (siehe M. Köhler et al. 1998, S. 25) Phosphat ist also überlebensnotwendig für jeden Mikroorganismus, egal welche Art von Stoffwechsel vorliegt.

5. Der Mangel an Posphat-Ionen im Oberflächenwasser - mikrobielle Strategien der Kompensation

Der Rückgang von Phosphat-Ionen im Oberflächenwasser stellt alle Mikroorganismen vor ein fundamentales Problem, da sie nicht wie die Mischkristalle ihr Wachstum von Phosphat auf Arsenat umstellen können.

5.1 Kompensation durch Übernahme von Phosphat-Anteilen aus Pyromorphit-Mimetesit

In Zeiten, wo die Phosphat-Ionen im Oberflächenwasser versiegen, machen sich die Bakterien, um zu überleben, an die in den Mischkristallen Pyromorphit-Mimetesit gespeicherten Phosphat-Anteile heran. Diese These soll durch die folgenden Bilder erklärt werden:

5.1.1 Der Vergleich der Kristalle auf den Abbildungen 16 und 17 macht eine solche Deutung plausibel: Auf der Abbildung 16 liegen Gespinste Fe-oxidierender Bakterien und Pyromorphit schiedlich-friedlich nebeneinander. Im Oberflächenwasser zirkulieren gelöste Phosphat-Ionen in ausreichendem Maße. Der Pyromorphit bleibt grün, ändert seine Farbe nicht in Richtung gelb; auch widerfährt ihm keine Bleichung, weil ihm offensichtlich kein Phosphat entzogen wird. Anders ist die Situation auf der Abbildung 17: Die Gespinste Schwefel-oxidierender Bakterien liegen auf Pyromorphit-Kristallen auf; sie haben sich "bewusst" auf diese gelegt. Die ursprünglich grünen Mischkristalle erscheinen weiß gebleicht, bzw. ausgelaugt, weil ihnen der Phosphat-Anteil herausgelöst worden ist. Denn im Oberflächenwasser sind keine Phosphat-Ionen mehr vorhanden. Nur aus wenigen Kristallen schimmert noch ein oliv-grüner Rest heraus; dieser erinnert noch an das ursprüngliche Mineral, das wahrscheinlich nie einen besonders hohen Phosphat-Anteil besessen hatte.

16 und 17 neu

Anhand weiterer Beispiele soll dieser Art mikrobieller Ersatzbeschaffung nachgegangen werden.

5.1.2 Typisch für die Phosphatbeschaffung ist die Konstellation von bakteriellen Gespinsten und Mineral auf der Abbildung 18: Rote Gespinste Schwefel-oxidierender Bakterien haben sich auf Mischkristalle von Pyromorphit und Mimetesit gelegt. Die Koexistenz von Mineral und Mikroorganismus gestaltet sich nicht in der Weise, dass das Mineral auf dem Gespinst liegt, auch nicht parallel daneben; vielmehr hat sich umgekehrt ein rotes Gespinst auf die Minerale gelegt. Ursprünglich war das Netz der Gespinste auf dem Mineral sehr viel dichter; beim Öffnen der Druse sind die feinen Netzwerke leider teilweise zersprungen. Die Initiative geht also von den Bakterien aus; sie suchen etwas bei dem Pyromorphit-Mimetesit, und nicht umgekehrt. Was sie bei dem Mineral suchen, geht aus dem Zustand des überdeckten Minerals hervor: Der Pyromorphit-Mimetesit ist ein Mischkristall - siehe oben, G. Schnorrer et al. 2009 S 48f -; der Phosphat-Anteil des Pyromorphit und der Arsenat-Anteil des Mimetesit sind mischbar und austauschbar. Diese mineralische Eigenart haben sich die Bakterien zunutze gemacht und die für ihren Stoffwechsel förderlichen Phosphat-Anteile mit ihren Exoenzymen herausgelöst. Von den toxischen Arsenat-Anteilen haben sie sich fern gehalten.

c 18 rote Gespinste auf beigem Pyromorphit B

Abb. 18: Rote Gespinste auf beigem Pyromorphit (BB 0,9 mm)

Der Blick auf den Pyromorphit-Mimetesit von Abbildung 19 zeigt diese Auflösung: Die weiß-hellolive Farbe der Kristalle dokumentiert die Auflösung des ursprünglich grün-oliven Minerals. Aus dem eher phosphat-haltigen Mischkristall ist ein arsenat-haltiger Mischkristall geworden, indem die Mikroorganismen die Phosphat-Anteile für die eigene Energiespeicherung herausgelöst haben. Trotz dieser "parasitären" Art der Phosphat-Auslaugung bleiben sie Schwefel-oxidierende Organismen. Die roten Gespinste bauen sich auf dem braun-violetten Untergrund auf - siehe links unten auf der Abbildung 18 - ; d.h. sie oxidieren in erster Linie SbS3, das bakteriell gebildete Restprodukt, das übrig bleibt, wenn Silber aus dem Pyrargyrit ausfällt. In der unmittelbaren Nachbarschaft dieser Gespinste fanden sich Beudantit-Kristalle, deren Wachstum von den bakteriell ausgeschiedenen Sulfat-Ionen gefördert wurde.

19 und 20 neu

5.1.3 Abbildung 20 verstärkt diese Interpretation: Auf dem Hintergrund liegt ein wirrer Rasen aus beigen Pyromorphit-Mimetesit-Prismen. Von rechts nach links fortschreitend breitet sich darüber ein Netz aus roten Gespinsten Schwefel-oxidierender Bakterien aus. Interessant ist die Farbe der Minerale: Wo diese von dem Netz bedeckt sind, ist diese eindeutig beige; wo nicht, schimmert ein ebenso deutliches Oliv-grün hindurch. Wo das Mineral von den phosphat-herauslösenden Mikroorganismen nicht berührt wird, schimmern die oliven Phosphat-Anteile in den Mischkristallen noch durch. Wo sie indessen vom Netz der roten Gespinste umhüllt wurden - Mitte rechts im Bild -, da ist der Phosphat-Anteil herausgelöst und die Farbe wird eindeutig beige.

Diese Farbänderung ist nicht bedingt durch eine - möglicherweise - externe Ablösung der Phosphatzufuhr durch eine Arsenatzufuhr im Oberflächenwasser. In der Tat sind solche mineralischen Farbverschiebungen bei dem Wachstum der Mischkristalle sehr häufig zu beobachten. Im Unterschied zu diesen immer von Grün auf Gelb gerichteten Farbverschiebungen mineralischer Genese - siehe Abbildung 10 - sind die hier vorliegenden Farbverschiedenheiten unspezifisch, d.h. individuell abhängig von der jeweiligen Aktivität der phosphat-herauslösenden Mikroorganismen.

5.2 Kompensation durch Ersatz des Phosphats durch Silikat - ein Laborversuch

Im Oberflächenwasser zirkulierten nicht nur Phosphat-Ionen, deren Zufuhr mit der Zeit abnahm, sondern auch Silikat-Ionen in Form von gelöster Monokieselsäure im Übermaß. Dieser Überfluss an gelösten Silikat-Ionen im Oberflächenwasser mag ein Grund dafür gewesen sein, dass einige (andere?) Mikroorganismen ihren Bedarf an Phosphat durch Silicium ersetzten.

Dass eine solche Kompensation möglich ist, zeigen Untersuchungen, die W. Heinen in den Jahren 1960 bis 1965 am Botanischen Institut der Universität Nijmegen (NL) an Mikroorganismen und deren Silicium-Stoffwechsel durchgeführt hat.

Am Anfang stand der wissenschaftliche Konsens, dass "Silicium nicht nur im Zuge der Salzaufnahme in Mikroorganismen und höheren Pflanzen passiv eingeschleppt wird, sondern dass daneben ... eine aktive, gerichtete Aufnahme von Silicium in die Organismen besteht." (W. Heinen 1960 S. 199) Ausgehend von diesem Konsens untersuchte Heinen im Labor die Bedingungen, unter denen die Bakterien in Silicat-Lösungen lebensfähig sind. Dabei handelt es sich nicht allein um einen Adsorptionsvorgang, sondern um eine aktive Aufnahme von Silicium in den Stoffwechsel. Bei der Aufnahme spielen Belüftung der Zellkulturen, pH-Wert, Zellkonzentration sowie die Silicatkonzentration eine Rolle. Einen weit wesentlicheren Faktor bei der Silicat-Aufnahme entdeckte Heinen bei folgenden Versuchen: Bakterien wurden in Phosphor- und danach auch in Phosphatlösungen vorgezüchtet und anschließend in einer Silicat-Glucose-Lösung inkubiert. (W.Heinen, 1963 S.146) Als Ergebnis nach 6 - 10 Tagen Inkubationsdauer konnte festgestellt werden, dass "der gesamte für den Metabolismus zur Verfügung stehende Phosphor .... gegen Si ausgetauscht ist..."(a.a.O., S 146). In dieser Inkubationszeit vollzieht sich eine fundamentale Umstellung, "während der sich die Organismen an die Kieselsäure als Ersatzelement für P gewöhnen" und ihren "endogenen P-Stoffwechsel" auf die Si-Aufnahme umstellen. (a.a.O., S 148)

Weiterhin ist zu beobachten, dass eine durch Phosphatzugabe stimulierte Si-Aufnahme mit einer erhöhten P-Abgabe einhergeht. Allerdings kann die Aufnahme von Kieselsäure durch eine Überdosis an Phosphat verringert bzw. auch "vollständig unterdrückt" werden (1963, S 145).

Bei gleichbleibender Zusammensetzung der Zellkulturen bewirken die Zusätze von S-, SO3- und SO4-Ionen folgende Effekte: "a) eine Stimulierung der Si-Aufnahme und der P-Abgabe; b) eine Hemmung der Si-Aufnahme und Stimulierung der P-Abgabe auf Grund des Austauschs von P gegen S statt Si; c) eine Hemmung der P-Abgabe unter gleichzeitiger Stimulierung der Si-Aufnahme. In diesem Fall wird zur Verhinderung der P-Verarmung Polyphosphat gebildet." d) Bei organischen S-Verbindungen wird "S gegen Si ausgetauscht", und zwar unabhängig von der P-Konzentration (Heinen, 1963, S 159).

Im Lichte solcher Laborergebnisse wird die behauptete Kompensation von Phosphat durch Silicium im Fall der Theuerdank-Mikroorganismen nunmehr untersucht.

1. In der Regel nehmen Mikroorganismen das für den intrazellulären Energietransfer erforderliche Phosphat über die im Oberflächenwasser reichlich zirkulierenden Posphat-Ionen auf. Unter Punkt 5.1.1 wurde ausgeführt, dass die Zufuhr von Phosphat-Ionen ins Stocken geriet und von Arsenat-Ionen abgelöst wurde. In dieser Mangelsituation machen sie sich an die Phosphat-Anteile der grün-gelben Mischkristalle heran - als Ersatz - und übertragen die dort noch vorhandenen PO4-Ionen in ihr Zellinneres. Von einer "Vorzüchtung" mittels Phosphatzugabe gehen die Untersuchungen W. Heinens aus.

2. Bei reinen Pyromorphiten ist oftmals eine "Überdosis an Phosphat" im Angebot; eine Aufnahme von Silicium aus der im Oberflächenwasser zirkulierenden Monokieselsäure ist deshalb unnötig. Diese Feststellung entspricht dem Laborergebnis, wonach ein Überangebot an Phosphat die Aufnahme von Silikat verhindert.

3. Im Fall des Ausbleibens von Phosphat-Ionen stellen Bakterien ihren Stoffwechsel von P auf Si um. Dieses ist in Gestalt von im Oberflächenwasser gelöster Monokieselsäure reichlich vorhanden. Dort spielt sich ab, was W.Heinen in den weiteren Laborversuchen festgestellt hat: Mikroorganismen stellen ihren Stoffwechsel auf die Si-Aufnahme um.

4. Im Milieu von organischen Schwefelverbindungen findet sogar ein S-Si-Austausch statt; ein solches Ereignis liegt dem Bild 20a zugrunde: In Zeiten, da die Zufuhr von P und S im Oberflächenwasser nachließ, haben die Bakterien ihren Stoffwechsel auf Si umgestellt, das sie in der im Oberflächenwasser gelösten Monokieselsäure reichlich fanden. Ihre neuen Stoffwechselprodukte haben sie extrazellulär an den Wänden abgelagert, d.h. an den Gespinsten ihres alten Stoffwechsels in Gestalt von SiO2-Körnern. So entsteht der optische Eindruck, als hätten neue Bakterienstämme mit ihren SiO2-Körnern sich an die Gespinste alter Bakterienstämme angedockt; in Wirklichkeit hat ein und derselbe Stamm seinen Stoffwechsel von S auf Si umgestellt mit der Folge, dass die Stoffwechselprodukte andere geworden sind.

c 22 a S red. und S oxid. B

Abb. 20a: S-red. und S-oxid. (BB 0,9 mm)

5.3 Verfikation der Laborergebnisse an grünen Mischkristallen

5.3.1 Die Abbildung 21 ist geeignet, die Laborversuche W Heinens weiterhin "in natura" zu verfizieren: Phosphathaltige Pyromorphit-Ionen des Oberflächenwassers lagern auf der Drusenwand eine grüngraue Beschichtung ab; diese kristallisiert in winzigen Kristallen aus und liefert für Bakterien mit P-Stoffwechsel das nötige Phosphat. In einer weiteren Phase wechsel das Graugrün in ein zartes Gelbgrün, was für den starken mikrobiellen Verbrauch des Phosphats und zugleich für eine Minderung weiterer Phosphatzufuhr im Oberflächenwaser spricht. Die Bakterien stellen daraufhin ihren Stoffwechsel auf Silicium um, das sie mithilfe der im Oberflächenwasser zirkulierenden Monokieselsäure bilden; daraus entstehen die durchsichtigen Silikat-Körner, die auf der gelbgrünen Schicht abgelagert werden. Das gelbliche Körneraggregat - halblinks unten im Bild - stammt entweder aus dem arsenathaltigen Rest der total ausgelaugten Pyromorphitwand - in diesem Fall hätten die Bakterien alle Phosphat-Anteile des Mischkristalls aufgebraucht und nur noch gelbe Arsenat-Anteile übrig gelassen; sie hätten dann ihren Stoffwechsel auf Si umgestellt und mithilfe der im Oberflächenwasser gelösten Monokieselsäure dieses gelbe Si-Aggregat gebildet. Oder aber die auffällige Farbe gelb stammt direkt aus der mit gelösten Arsenatpartikeln impregnierten Monokieselsäure des Oberflächenwassers, mit dessen Hilfe die Bakterien ihren weiteren Stoffwechsel betrieben haben.

21 und 22 neu

5.3.2 Abbildung 22 liefert einen weiteren Beleg für die Übertragbarkeit der Laborversuche Heinens. In der Druse, links im Bild, befindet sich ein Büschel von intakten Pyromorphit-Mimetesit-Prismen, die von außen, rechts im Bild, von Phosphat-hungrigen Bakterien attackiert werden. Diejenigen Prismen, die im Kontaktbereich der Bakterien liegen, scheinen ihren Phosphat-Anteil bereits an die Bakterien preisgegeben zu haben; dies geht aus ihrem bleicher werdenden Grün hervor, Bildmitte. Schließlich "besetzen" die Bakterien einzelne Prismen und ummanteln sie mit winzigen orangefarbigen Körnern, was ein Hinweis dafür ist, dass die Mikroorganismen ihren Stoffwechsel auf das Silicium der von außerhalb der Druse kommenden und im Oberflächenwasser gelösten Monokieselsäure umgestellt haben. Das zirkulierende Angebot an Monokieselsäure von außen ist offenbar stärker als die Phosphat-Anteile der Mischkristalle im Innern der Druse. Am Ende, rechts im Bild, sind die Prismen von den winzigen Silikatkörnern nicht nur umhüllt, sondern geradezu "ersetzt", so dass man mineralogisch von einer Pseudomorphose von Silikatkörnern nach Pyromorphit-Prismen sprechen könnte. Die Umstellung auf den Silicium-Stoffwechsel ist perfekt.

6. Die Rolle von Monokieselsäure für den Silicium-Stoffwechsel

6.1 Übertragung der Laborergebnisse auf die orangegelben Mischkristalle

Auf der Abbildung 23 sind sowohl zersetzter Quarz als auch aufgelöste Mischkritalle zu sehen. Inwiefern Phosphat-Ionen aus dem orangefarbigen Mischkristall herausgelöst wurden, kann aufgrund einer Farbänderung makroskopisch nicht festgestellt werden. Denn im Unterschied zu der grün-gelben Variante des Mischkristalls können die Anteile von Arsenat- und Phosphat-Ionen nicht auf die Farben gelb und orange der anderen Variante festgelegt werden.

c 23 SiO2 Stangen, aufgelöster Mim A

Abb. 23: SiO2-Stangen, aufgelöster Mischkristall (BB 1,9 mm)

Immerhin, im Blick auf die äußere Struktur macht der orangefarbige Mischkristall auf der rechten Bildhälfte einen reichlich aufgelösten Eindruck. Nach dem äußerlich wahrnehmbaren Eindruck der Auflösung werden die Bakterien den Phosphat-Anteil aus dem Mischkristall herausgelöst haben. Das Bild hält den Moment fest, wo sich eine Silikat-Schicht um den aufgelösten Mischkristall bildet; d.h. an die Stelle des Phosphat-Stoffwechsels ist der Silicium-Stoffwechsel getreten, der jene farblosen Silikat-Körnchen auf dem orangefarbigen Mischkristall hinterlässt, und nicht nur dort: Denn die im Oberflächenwasser gelöste Monokieselsäure als Lieferant für das Silicium des geänderten Stoffwechsels ist nicht nur bei dem Mischkristall präsent. Als Folge der überall verbreiteten Monokieselsäure kommt es auch zwischen Quarz und Mischkristall zu einem Prozess der bakteriell bedingten Silizifizierung: Silikat-Körnchen reiht sich an Silikat-Körnchen und bildet auf diese Weise freie "Brücken" und "Äste" zwischen Quarz und dem Mischkristall. Dabei neigen die Quarz-nahen Körnchen die weiße bis farblose Farbe des Quarz und die dem Mischkristall-nahen Körner und Krusten die orangene Farbe des Mischkristalls anzunehmen.

Der Prozess einer derartigen Silizifizierung ist kein Einzelfall:

Auf der Abbildung 24 ist zu erkennen, wie sich zwischen den orangegelben Mischkristall-Kugeln weiße bis farblose SiO2-Aggregate bilden. Die weiße Farbe macht deutlich, dass der Ursprung dieser Silikat-Gebilde die gelöste und bakteriell rekristallisierte Monokieselsäure ist, und nicht der orangefarbige Mischkristall. Die rechte der beiden Mischkristall-Kugeln macht einen reichlich aufgelösten Eindruck; d.h. sie hat ihre Phosphat-Anteile bereits abgegeben. Die Bakterien haben ihren Stoffwechsel nach dem besseren "Angebot" der Monokieselsäure umgestellt.

24 und 25 neu

Interessant ist Abbildung 25: Wiederum haben sich infolge der Umstellung des mikrobiellen Stoffwechsels auf Si dicke Silikat-Aggregate - untere Bildhälfte - aus der im Oberflächenwasser gelösten Monokieselsäure gebildet. Was auffällt, sind die gewundenen "SiO2-Wände" auf der gesamten oberen Bildhälfte, und zwar weder weiß oder farblos wie die Monokieselsäure , noch orange wie der arsenhaltige Mischkristall, vielmehr gelborange. Auch verläuft diese gelborange Farbe nicht als begrenzter Übergang von weiß zu orangegelb, vielmehr als kontinuierliche Flächenfarbe. Hier müssen also weitere Ionenspender als permantente Farbgeber im Oberflächenwasser im Spiele sein. In der Nähe zu arsenhaltigen Mischkristallen kommen hier in erster Linie Arsenat-Ionen in Frage, die im Zuge der Auflösung der Mischkristalle mit den Phosphat-Ionen ebenfalls in Lösung gingen. Jedenfalls ist nicht auszuschließen, dass Arsenat-Ionen die im Oberflächenwasser gelöste Monokieselsäure impregniert haben, und diese für die orangegelbe Farbgebung verantwortlich ist. Falls darüber hinaus auch noch eine bakterielle Reduktion des Arsenats zu Arsenit (AsO3) vorläge, dann wäre dieses ebenfalls höchst giftige Umwandlungsprodukt aus dem Oberflächenwasser in solchen orangegelben Silicium-Wänden gebunden worden.

Die Abbildung 26 zeigt auf den ersten Blick eine komplette Auslaugung von ehemals gelbem Mimetesit. Angesichts der Farbe gelb liegt hier offensichtlich ein reiner Mimetesit, d.h. ohne Phosphat-Anteil, vor. Wenn aber keine Phosphat-Ionen im Spiel sind, dann könnten sich auch keine Mikroorganismen mit einem P-Stoffwechsel gebildet haben, die in einer zweiten Phase infolge von P-Mangel auf einen Si-Stoffwechsel umschwenkten: Es sei denn, auch Arsenat-Ionen könnten diese Funktion ausüben. Bei genauerer Betrachtung fallen jedoch die bizarren körnerhaften Wülste, Flocken und Ausbuchtungen auf, die eher für eine wachsende Silizifizierung eines "Klumpens" gelöster Monokieselsäure sprechen als für eine Auslaugung von massivem Mimetesit. Zu sehr weicht die bizarre Form von der gerundeten eines aufgelösten Mischkristalls - vergleiche Abbildung 25 - ab. Diese Monokieselsäure hat ihre gelbliche Farbe von den im Oberflächenwasser zirkulierenden Arsenat- bzw Arsenit-Ionen erhalten, und zwar in ähnlicher Weise wie schon die gelbliche Farbe der "Körnerwand" im oberen Teil der Abbildung 22; auch diese ist weder auf die orangenen Mischkristalle noch auf die weißen SiO2-Körner zurückzuführen. Immerhin bleibt die Feststellung, dass sich auch einige farblose Silikat-Körner-Gebilde auf dem gelben Konvolut gebildet haben.

26 und 27 neu

Abbildung 27 scheint einen Übergang darzustellen: Auf der linken Bildhälfte sind gelbe Prismen von ausgelaugtem Mimetesit zu sehen; auf der rechten Bildhälfte orangengelbe Silikat-Gebilde, pseudomorph nach Mimetesit-Prismen. Wie auf der Abbildung 22 haben die aus der Monokieselsäure des Oberflächenwassers gebildeten Silikat-Gebilde die Form ihrer Vorgänger-Kristalle angenommen. Die orangegelbe Farbe rührt von dem Arsenat/Arsenit, das die Monokieselsäure impregniert hat. Eine vergleichbare Pseudomorphose von Silikatkörnern nach Mimetesit scheint auf der Abbildung 28 stattgefunden zu haben.

c 28 Silikatkörner pseudomorph nach Mimetesit A

Abb. 28: Silikatkörner pseudomorph nach Mimetesit (BB 1,9 mm)

6.2 Freie Formen der Silikat-Gebilde

In der Folgezeit scheinen sich die Mikroorganismen so sehr an den Silicium-Stoffwechsel angepast zu haben, dass sie diesen nicht mehr in Abhängigkeit und in Gegenwart der Phosphat-liefernden Mischkristalle vollziehen, nicht einmal pseudomorph deren Form annehmen. Wie die Bakterien sowohl Stoffwechsel als auch Energietransfer allein auf der Basis von Silicium organisieren, bleibt mir unbekannt.

Die nachfolgenden Bilder indes zeigen, dass sie von allen weiteren Stoffen unabhängig allein von der im Oberflächenwasser schier unbegrenzt verfügbaren Monokieselsäure "leben".

6.2.1 Monokieselsäure hat eine merkwürdige Eigenschaft: Einerseits bildet sie sich "automatisch", wenn in der Natur Wasser auf SiO2 fällt und dieses in Wasser aufgelöst wird - je höher die Temperatur, desto schneller und besser; andererseits spaltet sie Wasser ab und wird zu Kieselgel; dieses kondensiert nach weiterer Wasserabspaltung und wird nach und nach wieder zu Kieselsäure. Dieser Umwandlungsprozess durchläuft die Stufen Opal-CT - Kieselsol - kristalliner Quarz. Dabei nimmt die Dichte der Kieselsäure stetig zu und die Wasserlöslichkeit ebensosehr ab. Die Mikroorganismen scheinen diesen mineralischen Prozess in ihren Ausscheidungen nachzuvollziehen.

6.2.2 Weiße kristalline Körner

Abbildung 29 weist weiße SiO2-Körner, auf karminroten Krusten gelegen, auf. Diese farblosen bis weißen Kristalle haben die Farbe ihrer Umgebung nicht angenommen. Diese Eigenständigkeit weist auf eine originale - mikrobielle - Bildung hin. Auch haben diese SiO2-Körner nicht die Tracht eines Quarzkristalls. Was auffällt, ist ein winziger schwarzer Punkt in der Mitte eines jeden Korns, der auf die Öffnung einer Höhle hinweist. Es ist, als habe eine Kolonie von Bakterien die Ausscheidungsprodukte ihres Si-Stoffwechsels um sich herum in der Weise abgelagert, dass die Verbindungswege zum Oberflächenwasser, in welchem ihre Nährstoffe, die Monokieselsäure, zirkulieren, nicht blockiert werden. Auf diese Weise sind amorphe Haufen mit Öffnungen entstanden.

c 29 Silikatkörner mit Hohlraum B

Abb. 29: Silikatkörner mit Hohlraum (BB 0,9 mm)

6.2.3 Weiße Körnerpyramiden

Die Abbildungen 30 und 31 weisen farblose bis weiße Langpyramiden auf, die aus hunderten von winzigen SiO2-Körnern turmartig aufgebaut sind. Die Gebilde sind Teil eines Druseninhalts, der aus ähnlichen SiO2-Körnern und -Gebilden besteht, jedoch in der orangebraunen Farbe von Limonit; diese sind wiederum teilweise überzogen von farblosen Körnern.

30 und 31 neu

 Wäre die Limonitisierung der SiO2-Körner auf den natürlichen Einfluss Fe(II)-haltigen Oberflächenwassers zurückzuführen, dann müssten die an der Oberfläche der Aggregate befindlichen SiO2-Körner gerade am ehesten von einer Limonitisierung betroffen sein, da diese dem Fe(II)-haltigen Oberflächenwasser am meisten ausgesetzt sind. Dass diese aber offensichtlich zunächst einmal farblos bleiben, spricht für die Annahme einer nicht-natürlichen = mikrobiellen Ursache.

Von den limonit-farbigen SiO2-Überzügen heben sich die weißen Langprismen auf den Abbildungen 30 und 31 in zweifacher Weise ab:

1) Sie stechen durch ihre weiße Farbe hervor;

2) Wie wachsende Korallenstöcke sind sie immer höher und über die limonitisierten SiO2-Körneraggregate hinausgewachsen.

Beide Besonderheiten können im Milieu eines und desselben Hohlraums kein Zufall sein. In dem Maße wie der mikrobielle Stoffwechsel auf der Grundlage von Monokieselsäure fortschreitet, entsteht immer mehr kristalline Kieselsäure als Abfallprodukt, und zwar unverfärbte, weiße! Diese zu Kieselsäure umgewandelte Monokieselsäure ist dann nicht mehr wasserlöslich und kann folglich an das Oberflächenwasser nicht mehr zurückgegeben werden. Deshalb muss das Abfallprodukt anderweitig entsorgt werden: Die weißen SiO2-Körner werden sowohl seitlich als auch an der Spitze der Aggregate angedockt, so dass im Zuge des sich fortsetzenden Stoffwechsels eine nach oben und seitwärts wachsende kristalline Langpyramide entsteht.

6.2.4 Kieselgel pseudomorph nach Mimetesit

Abbildung 32 zeigt grauweißes Kieselgel mit Körnerspuren; vermutlich liegt eine Pseudomorphose nach einem komplett aufgelösten orangeroten Mimetesit-Pyromorphit vor.

32 und 33 neu

6.2.5   Silikat-Stangen

Abbildung 33: Um einen unsichtbaren bakteriellen Faden haben sich farblose Silikat-Stangen gebildet. Vielleicht liegt auch eine Pseudomorphose nach Cerussit vor. Sekundär haben sich farblose Körner seitwärts angedockt. Das Ensemble bildet eine Art Gitter einer Druse, durch welche Oberflächenwasser mit unterschiedlichen Stoffen hindurchströmen kann. Daraus haben die Bakterien bezeichnenderweise weder Eisen-Ionen noch irgendeinen anderen Stoff, vielmehr nur die reine und klare Monokieselsäure für ihren Stoffwechsel aufgenommen. Bild 34 zeigt ein ähnliches Si-Prisma, gebildet aus einer Vielzahl von einzeln SiO2-Körnern inmitten einer Druse, die mit orangebraunen Silikat-Körnern ausgekleidet ist. Die unterschiedliche Farbe und die verschiedenartige Form der Silikat-Aggregate sprechen für verschiedene Mikroorganismen, die die Restprodukte ihres Si-Stoffwechsels nach einem ganz unterschiedlichen Bauplan zusammengefügt haben. Im letzteren Fall könnte wiederum eine Pseudomorphose nach Cerussit vorliegen.

c 36 Si Primen in einer Si Druse A

Abb. 34: Si-Prismen in einer Si-Druse (BB 1,9 mm)

7. Schluss

Die vorliegende Untersuchung bewegte sich im Zwischenbreich von Mineralogie und Mikrobiologie. Für das Wachstum der Mischkristalle Pyromorphit-Mimetesit stellte sie die wechselnde Rolle der Phosphat-Zufuhr und -Abnahme heraus. Die Mikroorganismen mussten mit ihrem Stoffwechsel auf die Zufuhr und Abnahme von Phosphat-Ionen reagieren; verschiedene Strategien der Reaktion wurden in Anlehnung an W. Heinens Laboruntersuchungen dargelegt:

a) Ersatzbeschaffung durch Übernahme mineralischer Phosphat-Anteile;

b) Umstellung des Stoffwechsels auf der Grundlage von Si unter Beibehaltung des P-Vorrats für den Energietransfer;

c) Si-Stoffwechsel und Austausch von Fe- bzw. S-Ionen;

d) reiner und autarker Si-Stoffwechsel. Der mineralische Niederschlag dieser mikrobiellen Strategien wurde an den Veränderungen bei Pyromorphit, Mimetesit und Monokieselsäure deutlich gemacht.

Der Autor, weder im Bereich der Mineralogie noch in dem der Mikrobiologie zuhause, ist sich dessen bewusst, dass er mit seinen Bildern, laienhaften Interpretationen und Überlegungen Neuland betritt. Um die interessanten geomikrobiologischen Anpassungsvorgänge einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, hat er diesen ersten Schritt in das Neuland gewagt in der Hoffnung, Interesse für mikrobiell beeinflusste Mineralisationen zu wecken und weiterführende Kritik und Anregungen zu erfahren.

Die Aufnahmen sind mit zwei unterschiedlichen Vergrößerungsstärken gemacht worden (BB 1,9 und 0,9 mm). Die Stapeltechnik verdanke ich bei sämtlichen Mikrobildern der Helicon Focus Software (http://helicon.com.ua/heliconfocus/). Die Bildbearbeitung erfolgte mit der Software GIMP 2.18.

Mein großer Dank geht an Herrn Everhardus Schakel, der mich vor Jahren auf die Grube Theuerdank aufmerksam machte und mir mit Rat und Tat sehr hilfreich zur Seite steht.

Heute nach 15 Jahren sind diese Halden alle sehr abgesucht; im höheren Pensionsalter fotografiere ich meine alten "Schätze" und interpretiere sie gerne.

8. Literaturverzeichnis

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Abschluss der Arbeit: 15. 09. 2016  -  Weitere Informationen zu diesem Thema: www.mikroorganismenundminerale.de

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